KANZLER STATT OLAF – Schaffen statt »Wir schaffen das«

KANZLER STATT OLAF – Schaffen statt »Wir schaffen das«

Glaube versetzt Berge, heißt es so schön. Doch jetzt geht es zunächst um den nächsten Stein, Ärmel hochkrempeln und in die Hände spucken. Es besteht ein großer Unterschied zwischen Regieren und Reagieren. Der Frust verbreitet sich im Land – von Zahnärzten, die nur noch Regierungsgegner behandeln wollen, und wütenden Traktorfahrern bis hin zu jenen, die über die Gefahr der AfD aufklären. »Die AfD bietet keine Lösungen; sie ist menschenfeindlich, rassistisch, sowie europa- und demokratiefeindlich«, las ich kürzlich. Ich nicke zustimmend, frage mich aber: Was bedeutet das jetzt konkret? Was ist die Lösung? Die AfD ist keine Alternative, aber ihr Erfolg ist vielleicht die Konsequenz politischer Untätigkeit? Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt – in endlosen Sitzungen und Talkshows.

Olaf, wir brauchen jetzt den Deutschland-Plan und einen kollektiven »Dugnad«!

Umbruch statt Genickbruch

Die Bewältigung von Krisen und die Umwandlung negativer Stimmungen in positive Handlungen ist ein komplexes Thema, das in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen erforscht wird. Ein wichtiger Aspekt, der dabei besonders herausgestellt wird, ist transparentes Handeln, das von Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit geprägt sein sollte. Fehlende oder intransparente Kommunikation kann zu Fehlinformationen und Verschwörungsmythen führen, während klare und verlässliche Informationen Vertrauen schaffen. Eine effektive Kommunikation ist entscheidend, um die Bevölkerung einzubinden und Orientierung zu bieten. Doch wie könnte das konkret aussehen?

Regieren bedeutet Langfristigkeit – es ist ein unendliches Spiel, bei dem es darum geht, möglichst lange mitzuspielen. Doch die Art des Mitspielens ist wesentlich. Ich möchte mich nicht dem Ampel-Bashing anschließen, aber wenn die Verantwortlichen der Meinung sind, sie leisten gute Arbeit, dann sollten sie dies den Menschen auch zeigen. Nicht nur über konstruierte Headline-Talkshows und mediengesteuerte Inszenierungen, sondern authentisch, direkt und für die Menschen.

In ihrem Werk ‘The Upswing’ schreiben der amerikanische Soziologe und Politikwissenschaftler Robert D. Putnam zusammen mit Shaylyn Romney Garrett über den Tanz zwischen Individualismus und Kollektivismus – die ‘Wir-Ich-Wir’-Kurve. Putnam und Garrett legen dar, dass der Gemeinschaftssinn der progressiven Ära, geprägt von Aufklärern wie Ida B. Wells und Jacob Riis sowie sozialen Reformern wie der Suffragette Jane Addams und dem Bildungsevangelisten John Dewey, der Auslöser des amerikanischen Aufschwungs war. Die verschiedenen Traumata der 1960er Jahre – Attentate, Campusgewalt, der Bürgerrechtskampf, städtische Unruhen, der Vietnamkrieg – werden als Auslöser des Niedergangs beschrieben. ‘The Upswing’ präsentiert eine umfassende Erzählung über 100 Jahre Veränderung in der amerikanischen Gesellschaft und bietet damit einen interessanten Rahmen für das Verständnis der Entwicklung von Gemeinschaftssinn und Individualismus. 

Deutschland braucht jetzt einen solchen Umbruch, sonst droht der Genickbruch. Wir brauchen den kollektiven – und vielleicht auch den kreativen – »Dugnad«.

Dugnad, das ist wie Ehrenamt ohne Ehre und ohne Amt. Während »Ehrenamt« anstrengend klingen mag und oft wie etwas erscheint, das wir ohne Vergütung tun, ist Dugnad eine herzerwärmende norwegische Tradition, die über einfachen Gemeinschaftsdienst hinausgeht. Es ist ein Reigen der Solidarität, ein Zeugnis für die Kraft des kollektiven Einsatzes, der Nachbarn in erweiterte Familienmitglieder verwandelt. Es ist das Wesen lokaler Sportvereine und Gemeinschaftsveranstaltungen. Seit Jahrhunderten kommen Norweger für diese freiwilligen Unternehmungen ohne jegliche Vereinsbildung zusammen, um einen Gemeinschaftsgarten wiederzubeleben, einen Schulzaun zu streichen oder einen Spielplatz zu bauen.

Aber es braucht auch einen Leader. 

Lebensfreude und Lebendigkeit – Das Leben an sich

Die Griechen in der Antike nannten es Doxa, Heidegger schrieb von ‘Das Gerede’. In Zeiten wie heute sehnen wir uns nach Handlungshelden, die verstehen, dass das Heldenhafte im Leben in der Handlung selbst liegt – kurzum: Es geht um Tun, um die Tat, nicht um Jammern und Reden.

Vor allem sind heute Leadership, Transparenz, Offenheit und eine Anpack-Mentalität vom Projektleiter gefragt. (Neue) Vorbilder, die eine Leistungskultur vorleben, die tief in Werten verwurzelt ist und auf der Fortschritt entstehen kann.

Aber zunächst geht es um den nächsten – oder präziser – ersten Schritt; den kleinen Stein, der alles ins Rollen bringen kann.

Der französische Philosoph Albert Camus schrieb 1942 im ‘Mythos von Sisyphus’ über seine Interpretation der antiken griechischen Sage. Sisyphus war vom König von Korinth, dazu verdammt, in der Unterwelt einen riesigen Felsblock unermüdlich einen Berg hinaufzurollen. Jedes Mal, wenn er beinahe den Gipfel erreicht, entgleitet ihm der Fels und rollt wieder hinunter, sodass seine Arbeit niemals endet. Dies ist seine Strafe für den Betrug an den Göttern.

Camus nutzt diese Geschichte als Metapher für die menschliche Existenz und die Philosophie des Absurden. Für ihn symbolisiert Sisyphus den Menschen und seinen unermüdlichen Kampf gegen das Wesen des Lebens, das im Kern absurd und ohne intrinsische Bedeutung ist. Trotz der Aussichtslosigkeit seiner Aufgabe und der ewigen Wiederholung findet Sisyphus laut Camus eine Art von Zufriedenheit in seinem Schicksal. Camus argumentiert, dass die Akzeptanz des Absurden und das Finden von Bedeutung und Freude in der täglichen Anstrengung das Leben lebenswert macht. Er schließt seine philosophische Interpretation mit den Worten ab: »Der Kampf an sich gegen die Höhen genügt, um das Herz eines Menschen zu füllen. Man muss sich Sisyphus als einen glücklichen Menschen vorstellen.«

Was heißt das konkret für Deutschland?

Auch heute brauchen wir in Deutschland Vorbilder, Aufklärer und Impulsgeber aus vielen Bereichen. Es braucht eine engagierte Gruppe von Reformern, die die deutsche Gesellschaft wieder auf einen Weg bringt, der auf Gemeinschaft basiert. 

Demokratie geht direkter – Digitale Demokratische Republik.

Wie könnten denn Sofortmaßnahmen aussehen? Hier ein paar kurze Gedanken:

  1. Lass die Bevölkerung über die wichtigsten Themen abstimmen. Bei welchen Themen würdest du gerne mehr darüber erfahren, wie sie sich im Einzelnen entwickeln? Mir fällt hier beispielsweise der Bahnverkehr ein – die Deutsche Bahn. Dies wäre vermutlich einer der größten Hebel für die Alltagszufriedenheit und zudem wichtig für das Klima – denn Verhaltensänderungen kommen durch Anreize und bessere Produkte. Erst wenn die Bahn verlässlich funktioniert und einen gewissen Service bietet, werden die Menschen höchstwahrscheinlich andere Verkehrsoptionen  vorziehen. Die Vorstandsgehälter sollten nicht am Jahresgewinn und Sanierungszielen orientiert sein, sondern am Kunden, bzw. am Menschen. Pünktlichkeit = Zahlung, Qualität und Zufriedenheit der Reisenden = Lohn. Der Vorstand berichtet wöchentlich öffentlich darüber, was sich gegenüber der Vorwoche verändert hat – ein Mikroambitionsbericht. Jede Woche Schritt für Schritt: Wie viele Züge kamen diese Woche pünktlich an? Wie viele Toiletten wurden repariert? Wie oft gab es warmes Wasser und etwas zu trinken?  So lernen wir, Fortschritt zu schätzen, die Mitarbeiter werden motivierter und die Menschen informierter. 
  2. Projektleiter ist Olaf Scholz. Wir wollen den Kanzler sehen. Projektbericht Deutschland – Wöchentlich. Einmal pro Quartal stimmt die Bevölkerung über ihre  Top 5 Prioritäten ab, und hier wird Fortschritt gezeigt. Parallel dazu läuft die Abstimmung in regelmäßigen Abständen weiter. Wir haben öffentlich-rechtliches Fernsehen, dafür zahlen wir Bürger. Wenn der Kanzler will, wird er Sendezeit bekommen – und das gewiss auch zur Primetime. Einmal im Quartal gibt es dann eine ausführliche Projektbesprechung mit der Bevölkerung. Auf der Webseite der Bundesregierung, hier auf Focus oder auf anderen Medien, vielleicht sogar kollektiv auf ‘allen’, können die Menschen ihre Meinung abgeben und abstimmen: Bei welchen Themen wollen wir wöchentlich Fortschritt sehen und verstehen, was gemacht wurde? Fünf oder vielleicht sogar nur drei Themen pro Quartal könnten ausreichen. Bessere Probleme, positiver Fortschritt – mehr wollen wir nicht. Schnell erkennen die Bürger dann: ‘So schlecht geht es uns vielleicht doch nicht’, lass uns jetzt arbeiten.
  3. Die übergeordnete Vision – der Deutschland Plan. Die Richtung muss stimmen. Gefühlt ist Deutschland der ‘kranke Mann Europas’. Wenn grundlegende Dinge in einem Land nicht funktionieren, wenn der Staat keine attraktiven Angebote für seine Bürger liefert, folgt nicht, wie historisch gesehen, Rebellion oder Revolution. Es folgt Resignation oder Abmeldung. Der Staat und die Regionen werden in Zukunft wie Unternehmen um die Menschen kämpfen müssen. Wenn die Jungen gehen, sieht es für uns alt aus. Weniger Sitzungen und lange Diskussionen, mehr Bewegung und lebendiger Austausch – wir wollen Handlungshelden sehen.

Die Aufgabe von Kanzler Scholz ist nichts geringeres, als den Menschen in Deutschland wieder die Lebensfreude zu geben, einen Stein ins Rollen zu bringen. 

In meinem neuen Buch ‘Wikinger-Kodex’ geht es genau darum.

Es beschäftigt sich mit Leistung, Werten und der Zukunft der Wirtschaft – ein Thema, das aktuell sehr treffend für die Stimmung in Deutschland erscheint.

Beispiele aus dem Sport, die zeigen, wie kollektives Handeln und Optimismus gefördert werden können, sind oft faszinierend. Sie umfassen Teamdynamiken und Führungsstile. Mannschaftssportarten bieten zahlreiche Beispiele dafür, wie negative Stimmungen durch positive Teamdynamik, motivierende Führung und gemeinsame Zielsetzungen umgewandelt werden können. Diese Prinzipien lassen sich auf andere Bereiche übertragen, um Menschen zu motivieren und zu aktivem Handeln zu bewegen.

Am Montag sollte unser Projektleiter damit beginnen – »Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt« – Wenn dies nicht gelingt, und die Stimmung dann irgendwann sogar bei ‘Geier Sturzflug’ – die am Freitag nach 45 Jahren ihr 15. Gute-Laune-Album veröffentlichten – zu kippen droht, dann musst du, lieber Olaf, gehen.

Das ist nicht persönlich gemeint, aber eins kann uns keiner nehmen, und das ist die pure Lust am Leben.

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