Das Denken aus der Dose

Teil II: DENKEN AUS DER DOSE  – Von ChatGPT zu allgemeiner künstlicher Intelligenz, dem Homo Obsoletus und einer drohenden Zombie-Apokalypse?

Heute erkennen wir einen unfassbaren Gap zwischen dem, der kann, und dem, der weiß. Wie wäre es aber, wenn das ‘Werdende’ auf einmal gegeben wäre? Befreit von einer getriebenen ‘Muss-Gesellschaft’ hin zu einer (vordefinierten) ‘Wird-Gesellschaft’. Wenn wir alle alles wüssten, und ja, sogar alles könnten? Würde uns dann die Potentialität des Menschseins verloren gehen, und würden wir den Raum einer (freien) ‘Kann-Gesellschaft’ sogar erweitern?

Das sind Fragen, mit denen wir heute konfrontiert werden. Das Gesetz der exponentiellen Beschleunigung und des Wachstums kennt in vielen technologischen Bereichen keinen Halt. Im Silicon Valley sind die Träume einer Singularität gefühlt zum Greifen nah, wenn von neuen Fortschritten im Bereich Quantentechnologie und der Verdrahtung des Gehirns mit dem Netz berichtet wird. Gearbeitet wird seit Jahren an Technologien, die Daten zwischen Gehirn und Computer transportieren können. Der Mensch ist eben kein fertiges Wesen, die Vorteile eines ‘Upgrades’ sind jedoch nicht allen gleich zugänglich. Gedankenlesen auf der Grundlage psychologischer Studien und alter ‘mystischer’ Traditionen war gestern, bald heißt es (für die ‘Auserwählten’) Mind-Reading mittels BMI/MMI (Brain/Mind-Machine-Interface), BCI (brain—computer interface), NCI (neural control interface) oder DNI (direct neural interface). Auswerten und Daten verarbeiten. Muster erkennen und durch energetische Impulse beeinflussen. Das sind die Ziele.

Neuralink, eine von Elon Musk’s bahnbrechenden Unternehmungen, arbeitet an einer neuen Schicht (Layer) außerhalb des Cortex, die symbiotisch mit dem Gehirn funktionieren soll. Musks Gehirnimplantat-Unternehmen wurde nun von der FDA (Food and Drug Administration), der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde, zur Durchführung von klinischen Studien an Menschen zugelassen. Dadurch kann das Unternehmen nun mit den klinischen Tests – nach bereits erfolgreichen Kontroll Experimenten zunächst bei Ratten und dann später bei Affen (mit bei YouTube bestauntem Mind-Pong-Spiel)—beginnen. Neurolink ist aber nur eines der Unternehmen, das ein solches ‘Upgrade’ anstrebt, um menschliche Funktionalität zu erweitern und zu optimieren. Synchron, ein weiterer Hersteller von BCI (Brain-Computer-Interface)-Geräten, erhielt im Juli 2021 die FDA-Zulassung zur Erprobung von Hirnimplantaten. Blackrock Neurotech, das Hirnimplantate installiert, die es Menschen mit Lähmungen ermöglichen, digitale Geräte und Prothesen zu steuern, führt bereits seit mehr als einem Jahrzehnt klinische Studien mit Menschen durch. Das Global Race hat längst begonnen. Tech-Player wie Google und auch Facebook mit ihrem akquirierten CTRL-Lab wollen mitmischen und ihre asiatischen Counterparts wollen keine Aufholjagd beginnen, sondern hier Vorreiter sein. Auch in Europa sammeln die ersten Startups Geld ein. Es ist kein kleiner Markt. Die Branche der “Neuromodulationsgeräte”, die neuronale Aktivitäten aufzeichnen oder stimulieren, hat die Marke von 6 Milliarden Dollar überschritten.. Es geht darum ‘unser Leben besser zu machen’, um die Bekämpfung von Krankheiten wie Alzheimer und motorische oder sensorische Schäden, oder eben darum, dass der Chef in real-time beobachten kann, ob du beim nächsten Zoom-Meeting konzentriert bist. Befreit von Implikationen auf geistiger Ebene und möglichen Sicherheitsaspekten, stellt sich natürlich dann die Frage, ob (alle) Unternehmen und Autoritätsstrukturen das Wohlbefinden der Menschheit an erste Stelle setzen.

»Ich glaube, dass die Welt sich noch mal ändern wird
Und dann Gut über Böse siegt
Dass irgendjemand uns auf unseren Wegen lenkt
Und unser Schicksal in die Hände nimmt
Ja, ich glaube an die Ewigkeit
Und dass jeder jedem mal vergibt
Alle werden wieder voreinander gleich
Jeder kriegt, was er verdient«

Keiner kann gegen die Hoffnung argumentieren, dass neuronale Defekte behoben werden sollen und Krankheiten kuriert werden können. Aber werden Unternehmen, profit- und machtgetriebene Individuen sowie neugierige Fortschrittskuratoren dort haltmachen? Eine weitere Optimierung wird folgen. Losgelöst von ökonomischen Aspekten und profitablen, denkbaren Geschäftsmodellen rund um ‘IQ-TO-GO’, äußert Elon Musk sich besorgt um die Menschheit. Er ist davon überzeugt, dass die Menschheit mit künstlicher Intelligenz verschmelzen muss, um ‘zu überleben’, es ist existentiell. Es mag sein, dass Elon Musk der Outlier, der Ausreißer, ist und dass er tatsächlich an der Rettung der Menschheit arbeitet, aber alles in allem dienen Marketingveranstaltungen der Tech-Giganten der Profitmaximierung. Sie sind Unternehmen, die unseren Konsumwahn ausgebaut und perfektioniert haben.

Einige werden sagen, »Gib mir das Upgrade, die Optimierung muss her, ich möchte mitmachen«, während andere ablehnend reagieren werden: »Niemals, das ist Spinnerei«. Die meisten haben bereits heute eine klare Meinung—dafür oder dagegen—aber ganz so trivial ist das nicht. Glauben wir an eine Welt des Physikalismus, in der alles aus Informationsprozessierung besteht, so scheint es naheliegend, dass eine Verschmelzung eine Option ist. Denn bereits heute erkennen wir, dass die Technologie in vielen Bereichen dem Menschen überlegen ist und dass ihre Grenzen—vorsichtig ausgedrückt—noch lange nicht erreicht sind, oder es sogar keine gibt.

Falls dich das Thema im Detail interessiert, abonniere gerne auch meinen Newsletter hier. Zusammen mit meinem geschätzten Kollegen Dr. Florian Neukart publiziere ich in Kürze ein Buch mit dem Titel “The Singularity Paradox – Bridging the Gap Between Humanity and AI”, bei dem wir wissenschaftlich und philosophisch für eine ACE – Artificial Conscious Entity argumentieren.

Wenn die Maschine uns zum Lachen, Weinen oder sogar zu orgasmischen Höhepunkten treibt, spielt es schlicht keine Rolle, was diese Entität fühlt, ob sie empathisch ist, oder wissenschaftlich gesprochen: welchen ‘Grad des Bewusstseins’ sie besitzt. Sie triggert unsere Gefühle, und diese können wir nicht wegfühlen. Abgesehen von spirituell Erleuchteten und auf das Äußerste meditativ Trainierten können die meisten von uns Gänsehaut und ähnliche emotionale Reaktionen nicht einfach ‘weggänsen’. Wir können im Umgang mit Maschinen unsere Sinneserlebnisse und Gedanken nicht ausblenden. Wenn wir bereits bei süßen mechanischen—und technologisch gesehen ‘einfachen’—harmlosen Spielhunden bereits anthropomorphisieren und Robotern ‘menschliche’ Eigenschaften zuschreiben, wo keine sind, erkennen wir schnell unsere eigenen Grenzen.

Eine Begegnung mit Spot—dem Boston Dynamics-Roboter—, der uns zum Jahresabschluss 2020 mit seinen Freunden den 1962er Contours Hit: ‘Do You Love Me’ in bester Dirty Dancing-Manier vortanzt — bringt Lächeln, Staunen, aber eben auch Gänsehaut hervor. Happy New Year from ‘Atlas’, ‘Handle’ und eben ‘Spot’ war damals mein Post: Das Erwachen aus dem fatalen Nickerchen der unbewussten menschlichen Optimierungsgesellschaft kann beginnen. Das Starren in seinen leuchtenden ‘Augen’ am ‘Kopf’—welches als einfacher Arm für maschinelle Tätigkeiten dient—, ist ein trandenzentales Erlebnis, fast creepy. Und das obwohl dahinter eine eher simple Technologie steckt im Vergleich zu dem, was uns in wenigen Jahren erwartet. Maschinen bleiben aber bei ‘Logos’, könnte man behaupten. Das Wort symbolisiert jedoch genau jene Komplexität, mit der wir uns heute beschäftigen. Der Mensch ist mehr. Das ‘Vernünftige’, die ‘Sinnhaftigkeit’, ja sogar das ‘Allumfassende’ ist am Ende ebenso Teil des ‘Logos’ und nicht nur die mathematische Logik, die Informationsprozessierung und damit verbundene Lern-Algorithmen, mit denen wir heute technologisch die Welt erkunden. Spätestens nach dem Einzug von GPT wird uns klar, die sokratische Logik hat eine unterliegende Struktur, die es ermöglicht, den Menschen nahezu in Perfektion nachzuahmen. Ein Wortgenerator als Abbildung der menschlichen Intelligenz? »Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott« heißt es im Evangelium nach Johannes.

Aber ach! schon fühl’ ich, bei dem besten Willen,
Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.
Aber warum muß der Strom so bald versiegen,
Und wir wieder im Durste liegen?
Davon hab’ ich so viel Erfahrung.
Doch dieser Mangel lässt sich ersetzen,
Wir lernen das Ueberirdische schätzen,
Wir sehnen uns nach Offenbarung,
Die nirgends würd’ger und schöner brennt,
Als in dem neuen Testament.
Mich drängt’s den Grundtext aufzuschlagen,
Mit redlichem Gefühl einmal
Das heilige Original
In mein geliebtes Deutsch zu übertragen.
(Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.)

Geschrieben steht: “im Anfang war das Wort!”
Hier stock’ ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muß es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erſte Zeile,
Dass deine Feder sich nicht übereile!
ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geixt! auf einmal xeh’ ich Rat
Und schreibe getrost: im Anfang war die Tat!

Auch Goethe kämpfte im Faust mit ‘dem Wort’, es folgte ‘die Tat’. Alpha Zero—Google’s Schachalgorithmus—war nur eines der ersten Beispiele dafür, wo die Reise hingeht. Heute sind wir bereits alle im Zeitalter der GPTs angekommen. Scharlatane werden enttarnt in ihrer mangelnden Fähigkeit zu denken, kreativ zu sein und die richtigen Fragen zu stellen. Die ‘Verstehenden’ und Kreativen erhalten Superkräfte. Als Sokrates über die Logik reflektierte, hat er nicht weit genug gedacht. Offensichtlich verbirgt die Sprache eine simplifizierte Struktur, die eine Komplexität der menschlichen Intelligenz ermöglicht. Auf Algorithmen mit guten Intentionen folgen Funktionen und Handlungen, welche nicht einmal die Ingenieure erklären können. Und sollte es so weit kommen, dass die Maschine irgendwann ‘alles’ besser beherrscht als wir—mit der Intention, unser Leben zu optimieren—, dann könnten wir uns endlich um ‘das Wesentliche’ kümmern. So zumindest die Theorie. Aber was war noch einmal für uns das Wesentliche?

Es ist nicht die Angst vor dem bösartigen Roboter, mit der wir uns auseinandersetzen, sondern es sind die Konsequenzen einer nicht erklärbaren ‘perfekten’ Technologie, welche uns in eine Rolle als Homo Obsoletus drängen werden. Als Mensch eine gute Nummer zwei, aber zu nichts ‘Sinnvollem’ mehr zu gebrauchen, ‘die Tat’ wird irrelevant. Darauf folgt tatsächlich—in einer Welt des Physikalismus—ein valides Argument für die Verschmelzung, nach dem Prinzip; ‘If you can not beat it/them, join them’.

Natürlich entstehen bei einer solchen technologischen Erweiterung und Verschmelzung in der vollökonomisierten Optimierungsgesellschaft ungeahnte Möglichkeiten. Sexuelle Erlebnisse in der Cloud für die Ewigkeit speichern. Jederzeit unsere ‘Highlights’ abrufen und in ihrer Echtheit nachleben—mit Freunden teilen oder vielleicht sogar für Geld anderen zur Verfügung stellen (es grüßt die Kapitalisierung von Erlebnissen oder eben Pornofizierung 2.0.). Dabei ist es vielleicht genau jene Echtheit und die Lebendigkeit, die uns dabei verloren geht. Kaum vom lebendigen Menschen zu unterscheiden. Das Leben wird zum Nichtlebendigen und folglich ist der Tod nicht des Lebens Ende, sondern vielmehr obsolet geworden, was der Unsterblichkeit gleichkommt. Steht uns eine Apokalypse der philosophischen Zombies bevor? Eine Art Untotigkeit als neuer Zustand eines wie auch immer gearteten Homo Obsoletus:. Zu lebendig, um zu sterben, jedoch zu tot, um zu leben, bis der Preis des Lebens gezahlt wird und die Endlichkeit das ‘verbundene’ (Connected) Leben ablöst.

Dem technologischen Paradigma des untoten Menschen fehlt es an ’Geworfenheit’; wir werden nicht hineingeboren, sondern produziert und optimiert. »Wir können alles werden«—so die Eltern. Warum, fragt die Kleine? »Weil du es kannst«. Die Optimierungsgesellschaft ist eine suggerierte und vorgetäuschte Maximierungs-Gesellschaft, die daran gut täte, tatsächlich zu optimieren. Was ist das Optimum? Wo soll die Menschheit hin? Sich unbewusst der Technologie hinzugeben, wäre als Vorgabe möglicherweise genau das Gegenteil einer Definition von Humanismus. So kann es keinen Post-Humanismus geben, aber etwas Posthumanes wäre schon ein mögliches Szenario, ja sogar ein realistisches?

Aus der fatalen Informationsgesellschaft folgt eine Reife der Technologie. Es ist unglaublich, dass es funktioniert, jedoch ist dieses Erlebnis höchstens ein Übergang, ein Transit. Wie meine Oma aus dem Heim, die kurz vor ihrem Tod mit 94 es so treffend formulierte, als sie ihr Enkelkind im Handheld in der Hand halten durfte—wohl gemerkt mit 2300 km Entfernung— »Jetzt habe ich alles gesehen, jetzt kommt nichts mehr, jetzt kann ich gehen«. Aber sobald es da ist, nehmen wir es als gegeben hin. Aus der gewonnenen Freiheit folgt ein neuer Antrieb. Diese Höchst-Leistungsgesellschaft kann nur aufrechterhalten werden, wenn die fatale Informationsgesellschaft zu einer vorvalidierten Wissensgesellschaft reift. Wir müssen uns blind auf die Informationen verlassen können.

»All that we see or seem is but a dream within a dream.«

Besteht die Welt, und somit auch wir, aus mathematischen Formeln und Errechembarem, ja sogar aus etwas Berechenbarem? Sind wir Menschen Informationsprozessierung? Oder leben wir, wie der schwedische Philosophen Nick Bostrom argumentiert, in einer Simulation und die Wahrnehmung, die wir haben, ist eine Illusion? Elon Musk, Steve Jobs, Stephen Hawking, Albert Einstein und viele weitere verweisen zwar nicht auf eine Matrix, haben aber auf ihre Art und Weise alle Definitionen und Andeutungen auf eine illusionäre Realität. Und für alle diejenigen, die an eine mathematisch erklärbare Welt glauben, folgt auch eine sehr naheliegende Schlussfolgerung—insbesondere, wenn die eigenen ‘Tools’ für statische Berechnungen zugrunde gelegt werden—dass wir uns bereits in einer Matrix-Welt befinden.

So argumentiert auch Musk. Gehe ich von den Erfahrungen mit den einfachen Strichfiguren in den Computerspielen meiner Jugend aus und vergleiche diese mit heutigen Welten, in der Hunderttausende oder Millionen von Charakteren entstehen und die Erlebnisse erweitert um Augmented und Virtual Reality immer besser werden, dann folgt die ‘Blended Reality,’ in der wir nicht mehr zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden können. Glaubst du nicht? Konservative Leser werden an dieser Stelle die Science Fiction Karte ziehen, aber gestatten wir uns einen Blick auf die Entwicklung der vergangen drei Jahrzehnte und setzen diese in Relation zu einem 13,8 Milliarden alten Universum oder einer wie auch immer gearteten menschlichen Evolution seit 7 Millionen Jahren.

Wenn wir von der Annahme ausgehen, dass auch so etwas wie der ‘freie Wille’ und ‘Bewusstsein’ Teil von physischen Prozessen sind oder aus Materie entstehen können, dann folgt daraus, dass wir das irgendwann werden nachbauen können. Nicht heute oder auch nicht morgen, aber mit der Geschwindigkeit, mit der wir uns entwickeln, werden Computer in wenigen Jahren solche galaktisch- virtuellen Welten in nahezu echten Erlebniswelten präsentieren können.

Bereits heute können wir Welten in kleinen Computern kreieren, in denen sich Millionen von geschaffenen Charakteren in zunehmend ‘echten’ Spielen austoben. Zunächst sind wir dann Di-viduum—zwei Identitäten und Charaktere aufgeteilt in einer digitalen und physischen Welt—später folgen wir Neos Anweisung. Wenn Morpheus dich fragt, was soll es werden? Die rote oder die blaue Pille? Gehen wir von irgendeinem Fortschritt aus, egal wie langsam, dann wird es dazu führen, dass Fiktion und Realität nicht mehr unterscheidbar sind. Mit dem rasanten Fortschritt der Technologie ist dieser ‘Paradigmenwechsel’ im kosmischen Kontext insignifikant. Sollte sich die aktuelle Entwicklung um das Tausendfache verlangsamen, ja dann dauert es eben ein wenig länger…

Daraus folgt, dass eine junge Spielerin irgendwann eine Welt mit ihren eigenen Gesetzen der Physik, Chemie und Biologie erschaffen wird. In dieser Welt glauben die Charaktere, sie haben einen freien Willen und wollen auch so eine eigene Welt kreieren. Innerhalb dieses Computers, wo dann deine Welt simuliert wird, finden wir einen neuen jungen Spieler, der ebenso irgendwann eine solche Welt bauen wird im Rahmen der ‘evolutionären’ und technischen Entwicklung in einer galaktischen (nahezu) unendlichen Vielfalt an Welten.

Falls du dich hierzu für weiterführende wissenschaftliche Grundlagen und Gedanken interessierst, so empfehle ich dir gerne die von Terra Quantum und mir gemeinsam herausgebrachte Publikation Are We Living in a Quantum Simulation (auch auf Deutsch übersetzt) hier:

Wenn wir eine solche Erzählung für nicht komplett ausschließbar halten und eine Wahrscheinlichkeitsrechnung für die Einschätzung zugrunde legen, in welcher Welt wir uns befinden, was ist dann die statistische Wahrscheinlichkeit, dass genau wir, jetzt in diesem Moment ‘im echten Leben’, und genau wir, jetzt, Teil der Reise der Umsetzung eines solchen unendlichen Universums an Simulationen sind? Die Quoten sind dann auf Seiten der bereits vorhandenen Milliarden(?) von Simulationen. Nicht nur Elon Musk führt diese Argumentation fort, zahlreiche Wissenschaftler wie beispielsweise der Astrophysiker Neil deGrasse Tyson finden keine Gegenargumente. Er erklärte bereits 2018 bei Larry King Live seine Sichtweise der Simulation, während Kollegen und Silicon Valley-Enthusiasten versuchen, jene theoretische Simulation nachzubauen.

Ich muss gestehen, es wäre eine Erleichterung, dies zu wissen. Es würde einige Merkwürdigkeiten im Leben erklären. Davon abgesehen, scheint es, dass Zufälle in einer simulierten Welt Sinn machen, aber in einer echten kein Platz finden, wenn wir uns mit Theorien wie Quantenmechanik ein wenig auseinandersetzen. Der Autor und Unternehmer Roger James Hamilton fasst das treffend zusammen: »Wenn wir wüssten, dass wir in einer Simulation lebten, würden wir vermutlich uns alle ein wenig mehr wie Steve Jobs und Elon Musk benehmen; 1) wir würden ein größeres ‘Spiel spielen’ und eine größere Story bauen (da es ja eh nur eine Simulation ist—was haben wir zu verlieren—also macht was Spaßiges daraus) 2) du würdest dich selbst vermutlich nicht so ernst nehmen, denn wenn wir nur ein Charakter in einem Spiel sind, möchten wir nicht lieber Spaß haben und abenteuerlich sein, statt ängstlich und gestresst? Und, 3) du würdest das Spiel entscheiden und selbst festlegen, welchen ‘Film’ wir drehen möchten. Und Elon Musk formuliert treffend das Resümee: »Ich bin lieber Optimist und liege da falsch, als pessimistisch und habe recht«. Was wäre deine Story? Wie würdest du dein Leben leben?

Folgen wir diesen Gedankengängen nicht und hängen wir einer nicht absoluten physikalistischen Welt an, oder schließen uns Erklärungen an, dass unsere Wahrnehmung, subjektive Erfahrungen und das vielleicht Offensichtlichste, was wir Menschen haben—unser Bewusstsein—sogar etwas Mystisches ist, dann stoßen wir eben auf andere Herausforderungen. Seit Tausenden von Jahren gibt es hierzu Gedanken, Theorien und kreative Ansätze. Eine endgültige aufklärerische Antwort ist bisher ausgeblieben (siehe Are We Living in a Quantum Simulation ). Wie unser Geist unsere subjektive Wahrnehmung hervorbringt, ist unklar. Auch wenn es sich lediglich um die Aktivierung von Hirnregionen und die Verbindungen feuernder Neuronen, der neuronalen Netze, handelt oder um eine komplexe Informationsprozessierung von Milliarden von Neuronen und Tausenden von Billionen von ‘Berechnungen’ und Verbindungen – Das Bewusstsein hat etwas Mystisches an sich. Denn schließlich haben wir eine Vorstellung davon, wie wir durch unsere Sinne so etwas wie Farben und Gefühle wahrnehmen. zum Beispiel die Farbe und Geschmack einer Erdbeere oder das Gefühl, sich den Finger am Papier zu schneiden. Wir nehmen wahr, wie es sich anfühlt, etwas zu sein. Die Probleme entstehen in der Relation zu der von uns wahrgenommenen Welt und physischen Entitäten wie unserem Gehirn. Wie diese phänomenologischen Erfahrungen in unserem Gehirn entstehen, bleibt ein Rätsel mit vielen möglichen Ideen und Vorschlägen.

Lange galt eine dualistische Weltanschauung, aufgteilt zwischen Gehirn (bezogen auf physische Prozess) und Geist (im Hinblick auf die eigene Intentionalität)—also ein Bezug zu etwas anderem als sich selbst—, als möglicher Weg, wo man die Bindung oder Verbindung ‘nur’ finden müsste. Dass es merkwürdig, jedoch kein Wunder ist, und dass Antworten in Bezug zu einer physischen Welt eben keinen klaren Dualismus darstellen, ist heute die gängige Sichtweise vor dem Hintergrund einer materialistischen Weltanschauung. Es fehlen also Teile der finalen Erzählung.

Neben dem Physikalismus, den es in absoluter Form—wir müssen dem gleichen Weg der Entwicklung folgen und wir erreichen Bewusstsein—gibt, und einer etwas ‘milderen Form’—wir brauchen ein Upgrade unserer Physik wie z.B. durch Quantenmechanik oder etwas noch mehr ‘Abgefahrenes’—gibt es auch Vertreter eines eliminativen Physikalismus wie z.B den renommierten Philosoph Dan Dennett. Er vertritt die Sichtweise, dass menschliche Qualia, subjektiv und unabhängig von dem zugehörigen Objekt wahrgenommene Eigenschaften ein historisches Gebilde seinen und eigentlich nicht existieren, eine Illusion sind.. Wenn die Wahrnehmung—also unsere Eindrücke und unsere Gefühle—eine Illusion ist, wie erklärt es sich aber, dass wir scheinbar die Wahrnehmung über diese illusionären Entitäten haben? Auch hier verlagern wir das Problem auf die nächste Ebene und landen an den Schnittstellen der unterschiedlichen Theorien. Eine mögliche ‘Antwort’ auf die ‘Leib-Seele-Problematik’ oder wie oben beschrieben das Bindungsproblem zwischen Geist und Hirn (Materie) ist der Panpsychismus. Hier ist Bewusstsein etwas Fundamentales oder eine Entwicklung aus der Evolution, wo sich geistige Eigenschaften in der Materie (überall) entwickelt haben. Was hat dann also Bewusstsein? Auch Messer und Gabel? Oder nur Lebewesen? Und wenn ja, alle? Oder nur Menschen? Hunde? Mäuse? Fliegen? Oder ist sogar das Universum was Geistiges? Bewusstsein ist überall, so die Lehre der Panpsychiker, oder eben wie die altgriechische Bedeutung aufklärt πᾶν pan ‘alles’ und ψυχή Seele, also alles ist besselt.

Ob wir Menschen völlig mechanisch oder berechenbar oder rational erklären können, ob wir es mit einem Raum des Materialismus zu tun haben, der sich (noch) nicht erklären lässt, oder eben ob Bewusstsein vielleicht sogar was Fundamentales ist, darüber wird auch in den nächsten Jahren geforscht, diskutiert und philosophiert werden. Da unser Denkenum diese Ansätze kreist, geht es also bei unserer technologischen Reise hier um fundamentale Themen in der Untersuchung, was der Mensch eigentlich ist, wobei es vielleicht besser sein könnte, eine Verschmelzung mit der Technologie zu vermeiden
. Noch habe ich das Gefühl, ich kann was tun, auch wenn ich Teil des Spiels bin, oder sogar wenn die Welt deterministisch ist. Unsere kognitiven Kapazitäten als Denker erlauben uns nicht, die Mechanismen zu entschleiern. Wir kommen irgendwie nicht an das Betriebssystem heran, die Funktionalitäten stehen uns aber—zumindest so fühlt es sich an— zur Verfügung.

Ein Halt oder eine Entschleunigung ist nicht in Sicht. »Jetzt haben wir genug« wird nicht die nächste Antwort sein. Durch ein Dataismus und zukünftige externalisierte Schöpfung oder eine Verschmelzung mit einer allgemeinen künstlichen Intelligenz wird das Denken an sich verdinglicht. Aus Denken folgt Rechnen und Berechnen. Unsere geringe Speicherkapazität wird in die Wolke ausgelagert—nichts muss erinnert werden, denn es ist sofort abrufbar, und unsere höchst ineffizienten Ausgabegeräte, unsere zwei Finger, die derzeit unser Smartphone bedienen—werden ersetzt durch die Gedankenübertragung und (sofortigen) Informationsaustausch. Alleine der Gedanken-Austausch stellt uns (losgelöst von Diskussionen über Aktivierung und Sicherheitsaspekte) vor einige neuen Herausforderungen. Die Objektivität ersetzt die Subjektivität, die Materie das Geistige. Gedanken, Gefühle und Lüste werden durch Prozessierung überschrieben und ersetzt. Das Höchstleistungsprinzip und der ‘Wille zum Fortschritt’ bringt uns Menschen jedoch rasant näher an die Maschine und entfremdet uns somit vom Menschsein hin zum Er- und Berechenbaren.

Liegt die Heilung also in Psychedelika—Halluzinogene—und verdrahteten Gehirnen? Andocken, und die Gedanken kommen aus der Dose? Ist es am Ende die Lebendigkeit, die uns dabei verloren geht? Wenn ja, ist es genau aus diesem Grund, dass unser Anliegen so wichtig ist, damit wir bewusst entscheiden können, welche Zukunft für uns erstrebenswert ist. Bei jeder Art von Fortschritt folgt auf eine menschenähnliche künstliche Intelligenz eine Superintelligenz mit der damit verbundenen (exponentiellen) Selbstoptimierung. Auch wenn uns eine Verdrahtung neue Möglichkeiten eröffnet oder wir dabei erkennen, was wir lassen sollten und somit vielleicht (doch) einen Weg finden, die Technologie zu zähmen, sodass sie unser Leben besser macht, bleibt das Problem, dass wir nicht wissen, was für uns und/oder die Menschheit wirklich besser ist. Der digitale Tsunami treibt uns in eine Dysbalance zwischen Macht und Weisheit, mit der die Sorge der Macht durch und mit Technologie eine echte ist. Es kann keinen Posthumanismus geben ohne Humanismus. Eine posthumane Welt wäre vielleicht eine fatale.

Die paradoxale Konfrontation mit der unbekannten Form der Bewusstseinserweiterung kann vielleicht nur in der Form der Erweiterung erreicht werden, so wäre die Göttlichkeit die Absolutheit. Die Hoffnung der Unsterblichkeit stirbt bekanntlicherweise zuletzt. Ich werde die Szenarien einer möglichen “Zombie-Apokalypse” dir in den nächsten Wochen präsentieren und meine Gedanken dazu äußern, wie wir dieses Szenario vermeiden können. Bis dahin wollen wir es dabei belassen: Der Letzte macht das Licht aus.

Philosophiert euch! – Weisheit mit Stäbchen

Teil 1: Wie wir Denker unserer Zeit werden
Teil 2: DENKEN AUS DER DOSE
Teil 3: Ethik und Moral ohne Religion – Wie geht das?
Teil 4: Die Überwindung der Herdenstupidität
Teil 5: Die Sinnlose Zeit 

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